Ertveröffentlichung

Lucas Cranach d.Ä. (?)
Konrad Nesen

005.05-CR-Nesen-240In einer Privatsammlung ´versteckt´ befindet sich dieses, für die Familie Cranach typische Männerportrait eines Bärtigen (1543. Öl auf Holz 55 x 40 cm. CDA: PRIVATE_NONE-P135. FRSup 018). Es tauchte 1984 im Münchner Kunsthandel auf und gelangte nach der Auktion in Privatbesitz. Obwohl es links oben eine Inschrift trägt, konnte es bisher nicht identifiziert werden. Diese lautet: 1543 Got gestraw ich . mein alther . 41 . jar . N.K. Daraus ergibt sich, daß der porträtierte Mann 1502 geboren ist. Friedländer/Rosenberg haben das Portrait seinerzeit dem Meister der Gregormesse zugeschrieben. Oben rechts wird ein Ausblick in eine bewaldete Mittelgebirgslandschaft (Zittauer Berge?) gewährt.

Vor einer zurückgeschlagenen, grünsamtenen Portiere präsentiert sich ein kräftiger Mann in würdiger Kleidung. Der Mann trägt einen schwarzen, mit Pelz abgesetzten Überrock, der geöffnet ist und dadurch sein plissiertes Hemd zeigt. Wie häufig bei Lucas Cranach sen. hält er seine Hände übereinander. Am Zeigefinger der Linken stecken zwei besondere Ringe; der größere hat einen roten Stein. Beide Hände halten anscheinend einen Schwertknauf. Doch die goldene Kette des Adels fehlt an der Person; daraus läßt sich jedoch schließen, daß diese Respektsperson möglicherweise ein öffentliches Amt bekleidete.

Zittau-1647-MerianZittau Stadtplan um 1647Bedauerlicherweise fand sich kein um 1502 geborener Prominenter mit diesen Initialen. Außerdem gibt es das Problem, daß vor der Reformation noch keine Taufregister geführt wurden. Doch unter den Persönlichkeiten aus dem Umkreis Martin Luthers taucht eine Person mit den Initialen N. K. auf, die als Auftraggeber des Portraits infrage kommen könnte: Konrad Nesen. Er stammte aus bäuerlichem Milieu in Südwestdeutschland. Sein etwas älterer Bruder Wilhelm hatte ebenfalls Laufbahn eines Akademikers eingeschlagen. Von Konrad wird berichtet, daß er sich 1525 in Wittenberg immatrikulieren ließ. Für einen Studienbeginn wäre das sehr spät, weil das ´Vorstudium´ der artes liberales üblicherweise schon mit 14 begann. Aber über die frühen Jahre liegen leider keine eindeutigen Angaben vor. O. Kaemmel vermutet, er habe sich seinem Bruder angeschlossen und sei damals nach Paris gegangen.

8037 0 12250064301Der Heffter-Bau in Zittau.
Foto Peter Hennig
In der verfügbaren Biographie von Konrad Nesen, der Allgemeinen Deutschen Biographie, führt O. Kaemmel aus: Er »war schon 1519 dort [in Paris] und schrieb daselbst als Fastnachtsscherz im lucianisch-hutten’schen Stile den´Dialogus bilinguium ac trilinguium´, eine scharfe Satire auf die Kämpfe in Löwen, zu der ihm Mittheilungen [des älteren Bruders] Wilhelm den Stoff geliefert haben werden«. Auch diese Angabe läßt ein Geburtsjahr 1502 plausibler erscheinen. In Wittenberg studierte Nesen Jura und freundete sich mit Philipp Melanchthon an, der ihn 1529 erfolglos dem Landgrafen Philipp von Hessen zur Anstellung empfahl. Doch 1530 glückte seine Bewerbung als praeceptor am Hof des Kaiserbruders Ferdinand. Doch zog er es 1532 vor, an die Universität Wittenberg als Lektor für Jura zurückzukehren. Im Folgejahr ergab sich für ihn die Möglichkeit, Syndikus der Stadt Zittau zu werden. Dort wurde er 1541 zum Bürgermeister gewählt. »König Ferdinand erhob ihn unter dem 10. Mai 1542 in den erblichen Adelstand« (O. Kaemmel). Deswegen blieb er bis zu seinem Tod 1560 der Stadt verbunden. » Die drei Bürgermeister wechselten alljährlich in der Leitung der Geschäfte ab« (O. Kaemmel). Zu seinem Amtsbereich in der Stadt gehörte auch die vollziehende Gewalt, die im Bild durch das Schwert angedeutet ist. Zittau liegt am Fuß des Zittauer Gebirges; durch die Stadt führt die alte Ost-West-Fernhandelsstraße, von der die Stadt erheblich profitierte. Gerade ab 1520 nahm die Stadt ihren Aufschwung. Sie enthält bemerkenswerte Profanbauten der Renaissance. Zusammen mit Magister Heidenreich u.a. setzte Nesen in der Stadt die Reformation (»Der Rath war hier geschlossen evangelisch« (O. Kaemmel) durch .


Der Meister der Gregormesse war als eine Hilfskonstruktion von Friedländer/Rosenberg gedacht, hat aber bei der nach wie vor ungeklärten Urheberschaft in der Cranach-Werkstatt nicht weitergeholfen. Da nun in diesem Gemälde charakteristische Elemente des Seniors wie z. B. die Handhaltung und der horizontal beschnittene Vollbart auftauchen, ist nicht auszuschließen, daß ein wesentlicher Teil des Gemäldes von seiner Hand stammt.

Literatur
Michael Erbe u.a. In: Contemporaries of Erasmus. Toronto/Buffalo/London 1985
O. Kaemmel. In: Allgemeine Deutsche Biographie. Berlin

Bildnachweise
CDA: PRIVATE_NONE-P135

wikipedia.org/wiki/Zittau#16._Jahrhundert_–_Reformation_und_Pönfall (27.10.2023)
zittau-goerlitz.city-map.de/02017200/heffterbau. Peter Hennig (27.10.2023)