Erstveröffentlichung

Unbekannter Künstler
Remigius Faesch

071.53-UK-Faesch-240Das Schicksal eines anonymen Portraits gleicht dem eines Mauerblümchens; es wird kaum wahrgenommen. Dabei hängt das Portrait eines Mannes mit schwarzer Kappe (ca. 1470. Öl auf Eiche 37,9 x 31 cm. WAF 612) schon seit 1932 in einem prominenten Museum: der Alten Pinakothek in München und wurde ─ ein Behelf der Kunsthistoriker ─ dem Meister des Marienlebens zugeschrieben, einem spätgotischen Künstler, dessen Bilder vorwiegend Goldgründe aufweisen. Zur Altkölner Schule gehörig lautete eine andere Vermutung. Auf der Rückseite fand sich die irreführende Inschrift Petrus Appianus Caroli V Mathematicus, die noch aus der Zeit stammt, als das Gemälde zur Sammlung Oettingen-Wallerstein gehörte. Diese Angabe wurde offenbar durch den Zirkel motiviert, den der Porträtierte demonstrativ in der rechten Hand hält. Er war im Mittelalter jedoch das Handwerkszeug eines Architekten.

Wenn man von einer Datierung um 1470 ausgeht, ist diese zwar für die Altkölner Schule zutreffend, hierbei aber nicht. Diese zeichnet sich u.a. durch eine steife Haltung aus, wie sie noch bei Bartholomäus Bruyn d.Ä. zu sehen ist. Buchner spricht dagegen 1953 bei dem Halbportrait von ´seigneuraler Haltung´ und ´würdiger Gehaltenheit´, die sich nicht gerade mit der statischen Altkölner Schule verträgt. Überhaupt passen Farbgebung und Malkultur viel eher zur differenzierteren oberrheinischen Malerei (u.a. Martin Schongauer), wie sie sich u.a. bei dem sensiblen Portrait des Sigmund von Falkenstein (Augustinermuseum, Freiburg. s. Beitrag Unbekannnter Künstler: Sigmund von Falkenstein) und zeitgleichen Werken zeigt.

Thann Theobald Church South SideTurm des Münsters in Thann / ElsaßSchaut man sich in der Region Oberrhein um, stößt man auf eine zeitlich zutreffende Person, den Basler Architekten Remigius Faesch (ca. 1460 ─ 1533/34), oder wie man damals sagte: Baumeister. Er hat sich einen Namen gemacht durch eine für ihn charakteristische Verfeinerung der Spätgotik, wie sich am Münster in Thann/Elsaß zeigt, an dem er ab 1491 als Baumeister tätig war und im Folgejahr das nördliche Seitenschiff vollendete. Der südliche Turm wurde unter Faeschs Leitung durch breitere Spitzbogen und lebhafteres Maßwerk (Ernst Ullmann S. 97) 1506/16 veredelt. Faesch hat den Bau mit dem Oktogon 1516 vollendet (Florens Deuchler und Jean Wirth S. 274). Daher ist eher zu vermuten, das Portrait könnte um 1510 entstanden sein.

Die Familie Faesch gehörte jahrhundertelang zur Oberschicht von Basel. Das noch erhaltene spätgotische Haus des Faesschen Fideikomiß in Basel, Petersplatz 14/Hebelstr. 3, wurde später umgebaut.

Literatur
Ernst Buchner: Das deutsche Bildnis der Spätgotik und der frühen Dürerzeit. Berlin 1953
Florens Deuchler/Jean Wirth: Reclams Kunstführer Elsaß. Stuttgart 1980
Nouveau dictionnaire de biographie alsacienne. Strasbourg, 1982-2007
Hans Eppens (Hg.): Baukultur im alten Basel. 1968
Ernst Ullmann (Hg.): Geschichte der deutschen Kunst. Leipzig 1984
Johann Heinrich Zedler: Das Grosse vollständige Universal-Lexicon aller Wissenschaften und Künste. Leipzig 1732-54

Bildnachweise
www.sammlung.pinakothek.de/de/artwork/02LAYABLyk (5.3.2024)
wikipedia.org/wiki/Münster_zu_Thann#/media/Datei:Thann_Theobald_Church_South_Side.jpg (10.3.2024)